
Agra
Von Bharatpur sind es nur 60 Kilometer bis nach Agra, daher entscheiden wir uns für einen Tagesausflug zum Taj Mahal. Der Wecker schmeißt uns um vier aus dem Bett, weil wir zum Sonnenaufgang dort sein wollen. Widererwarten sind wir nicht die Einzigen, die so früh auf den Beinen sind, kommen uns doch Scharen von Pilgern die ganze Strecke über entgegen.
Leider versteckt sich die Sonne erst noch hinter dem Morgendunst und der große Wow-Effekt bleibt aus. Den bekommen wir dafür, als wir einen der Eingänge ins Taj Mahal erreichen.
Die langen Besucherschlangen und die hohen Eintrittspreise verschlagen uns den Atem. Außerdem verärgert es uns ein wenig, dass ausländische Besucher das vierzigfache des Eintrittspreises der Einheimischen zahlen sollen. Verwundert es da einen noch, dass Inder gerne mal die “Touri-Preis” Masche bei Weißen versuchen, wenn es der Staat doch vormacht? Daher lassen wir das Taj Mahal links liegen und schauen uns das rote Fort an, das nicht so überlaufen und himmlisch ruhig ist.
Mit dem Bau des Forts wurde Mitte des 16. Jahrhunderts begonnen. Seinen Namen hat es von dem roten Sandstein bekommen, aus dem es erbaut wurde.
Innerhalb der Mauern steht eine Vielzahl an Gebäuden verbunden mit labyrinthartigen Gassen, so dass es wie eine eigene kleine Stadt in der Stadt wirkt.
Es gibt sogar große unterirdische zweistöckige Bereiche, in denen einst der 500 Frauen umfassende Harem des Erbauers untergebracht war. Leider können wir diesen Teil nicht besichtigen.
Das Fort diente hauptsächlich militärischen Zwecken und wurde immer wieder von seinen Gegnern besetzt. Viele der Gebäude im Inneren wurden dabei zerstört oder umgebaut. Auch heute noch nutzt das indische Militär große Bereiche des Forts, die den Besuchern nicht zugänglich sind.
Shah Jahan, der das Taj Mahal als Mausoleum für seine Frau erbauen ließ, verwandelte Teile des Forts in einen Palast aus weißem Marmor, ähnlich dem Inneren des Taj Mahal.
Für die Einlegearbeiten, die Pietra Dura genannt werden, wurden um die 30 Edel- und Halbedelsteinarten verwendet.
Diese Teile des Forts wurden später zu seinem vergoldeten Gefängnis, nachdem sein Sohn ihn abgesetzt hatte und dort acht Jahre lang bis zu seinem Tod gefangen hielt.
Von den Räumen aus konnte er zum zwei Kilometer entfernten Taj Mahal, dem Grab seiner geliebten Frau, blicken.
Nach seinem Tod wurde auch er dort neben ihr beigesetzt.
Nach dem Besuch des Forts verbringen wir mal wieder zwei Stunden in einem Vodafone-Store. Da SIM-Karten von Ausländern nach drei Monaten deaktiviert werden brauchen wir einen neuen Vertrag. Den hatten wir schon in Jaipur abgeschlossen, doch beim Freischalten gibt es Probleme und wir müssen indische Geduld auf der Wartebank beweisen.
Fisherman’s Friend indischer Art
Was in Indien nicht fehlen darf, ist der Atemerfrischer, den man im Restaurant sogar mit der Rechnung in Form von Anis in diversen Varianten gereicht bekommt.
An jeder Ecke kann man ihn aber auch mundgerecht abgepackt in verschiedenen Geschmacksrichtungen mit oder ohne Betel erwerben.
Umweltschonender ist es sich in einem spezialisierten Geschäft aus einem unglaublich Angebot gleich eine größere Menge abpacken zu lassen.
Auf diesem Tablett sind Kostproben der süßen Art mit Anis und Datteln zu sehen.
Diese hier sind mit herzhaften Gewürzen vermischt.
Keoladeo Ghana National Park
Unsere letzte Station in Rajasthan ist die etwas kleinere Stadt Bharatpur, an die der Nationalpark Keoladeo Ghana angrenzt.
Er ist einer der weltweit wichtigsten Brut- und Futterplätze für Vögel sowie ein beliebtes “Urlaubsziel” von Zugvögeln aus Afghanistan, Turkmenistan, China und Sibirien. Nach dem Monsun steht etwa ein Drittel des 29 Quadratkilometer großen Parks unter Wasser, was es zum idealen Überwinterungsdomizil für die Zugvögel macht. Dann tummeln sich zusammen mit den einheimischen Spezies um die 360 verschiedene Vogelarten auf den überschwemmten Gebieten. Doch auch nachdem die Zugvögel wieder gen Heimat fliegen gibt es noch etliche Arten zu beobachten, die in Keoladeo Ghana balzen und brüten.
Noch bis 1965 diente das Naturschutzgebiet den Maharadschas als Jagdgebiet. Erst 1982 wurde es zum Nationalpark erklärt und drei Jahre später in die Liste der Unesco Weltkulturerbestätten aufgenommen.
Mit dem Miet-Drahtesel geht es auf Erkundungstour.
Nachdem wir die Hauptstraße des Parks, die vornehmlich den Fahrradrickshaws als Besucherstrecke dient, verlassen haben, umgibt uns die Stille der Natur. Kaum haben wir unsere klappernden Räder an den Baum gestellt, können wir auch schon von überall her Vögel hören und sehen. Eine herrliche Abwechslung zum normalen indischen Lärm, der uns sonst die meiste Zeit umgibt, gerade in den letzten Tagen in Jaipur.
Natürlich gibt es nicht nur Vögel zu sehen. Schon bald kreuzt die erste Nilgauantilope unseren Weg.
Antilope hört sich dabei grazieler an, als diese Art mit einer Schulterhöhe von 1,4m und einem Gewicht von 300kg ist.
Boselaphus tragocamelus
Weiter sehen wir Axishirsche, Wildschweine, wilde Kühe, Affen und Schakale. Nicht zu vergessen die quirlligen Streifenhörnchen.
Mehr aus Zufall kommt uns auch eine Schildkröte vor die Linse, denn das eigentliche Mannequin ist der Reiher.
Ständige gefiederte Begleiter sind neben den Grasmücken, Timalien sowie Blaubartspints, die Mynas und
Papageien.
Zwischen den dichten Büschen sehen wir immer wieder Pfauen, die allerdings sehr scheu sind und gleich auf Sicherheitsabstand gehen, wenn sie uns sehen oder hören. Einer ist uns aber doch vor die Kamera gelaufen, nur das Rad will keins der Männchen für uns schlagen. Ganz in der Nähe des “eitlen Herren” hält sich auch sein Harem auf. Die im Vergleich zu ihm unscheinbaren Weibchen hören wir jedoch meistens bevor wir sie entdecken.
Pavo cristatus
Bei den Eisvögeln sind sowohl die Damen wie auch die Männer leuchtend türkis, wenngleich man es der Braunliest auch nicht von vorne ansieht.
Halcyon smyrnensis
Besonders fleißig sind die Termiten. Direkt am Straßenrand stehen einige ihrer Hügel, die uns locker überragen.
Wenn auch nicht ganz so gesellig, wie die Insekten, so sind die Streifengänse
Anser Indicus
und die Zwergpfeifgänse doch auch immer in Gruppen anzutreffen.
Dendrocygna javanica
In den Bäumen sitzen Kormorane in kleineren Kolonien und trocknen ihr Gefieder.
Phalacrocorax carbo
Unter ihnen hat sich auch ein indischer Schlangenhalsvogel gesellt, der den Kormoranen ähnelt, aber einen längeren Hals hat.
Anhinga melanogaster
An Einzelgängern entdecken wir den Schwarzkopfibis,
Threskiornis melanocephalus
den Buntstorch
Mycteria leucocephala
und den Silberreiher hier zusammen mit einem Ibis.
Ardea alba und Threskiornithinae
Wir sehen auch zwei Paare der selten gewordenen Saruskraniche. Ihr Bestand ist durch die Einschränkung ihres Lebensraumes mittlerweile gefährdet. Diese Kranichart kann bis zu 1,8m groß und 12kg schwer werden und gehört damit zu den größten flugfähigen Vogelarten. Sie haben eine Lebenserwartung von 40 Jahren und leben in einer Einehe über ihr ganzes Leben.
Grus antigone
Eines der Männchen ist gerade dabei, seinen Balztanz aufzuführen.
Während einige der anderen Besucher professionell mit Spiegelreflexkameras und Teleobjektiven (größer als unser Rucksack) ausgerüstet sind, gelangen auf unsere Bilder auch mal mehrere Gattungen, wie auf diesem hier. Viel Spass beim Finden der drei Tierarten.
Axis axis, Sus scrofa cristatus und Macaca radiata
Vor fünfzehn Jahren wurden zum letzten Mal Nonnenkraniche (sibirische Kraniche) in Keoladeo Ghana gesehen.
Ihr Bestand ist weltweit stark gefährdet, da der natürliche Lebensraum durch die Landwirtschaft zerstört wird und die Vögel auf ihren Zugrouten gejagt werden. Dies wurde wohl auch den letzten noch verbliebenen Nonnenkranichen in Keoladeo Ghana zum Verhängnis.
Oldtimer Quiz
Dieses kleine Juwel haben wir zusammen mit einer Heckflosse in einer Werkstatt entdeckt.
Über dem Familienbetrieb wacht noch immer der neunzigjährige Seniorchef, der schon den Fuhrpark der Königsfamilie gewartet und sich all sein Wissen selbst angeeignet hatte.
Und nun die Kennerfrage: Um welches Modell handelt es sich hier, an dem der alte Herr vielleicht seine ersten Reparaturen vorgenommen hat.
Fort Amber
Amber ist die ehemalige Hauptstadt des Staates Jaipur und wurde von den Kachhwaha-Rajputen errichtet, die aus Gwalior im heutigen Madhya Pradesh kamen.
Sie herrschten dort mehr als acht Jahrhunderte. Durch Kriege erbeutete Waren verschafften ihnen die Mittel für den Bau des Palasts in Amber. Den Startschuss gab Maharadscha Man Singh, der rajputische Befehlshaber von Akbars Armee, 1592. Das Fort wurde später erweitert und von den Jai Singhs vollendet, bevor sie nach Jaipur umsiedelten.
Das Fort Amber war, wie bei den Rajputen üblich, auch gleichzeitig der Königspalast, was den eher herrschaftlichen Aufbau erklärt.
Amber ist eine der Hauptattraktionen in Jaipur und es herrscht reger Andrang. Viele Besucher lassen sich mit einem Elefanten vom Ort ins Fort herauftragen. Zieht man wie wir den Fußmarsch vor, muß man manchmal schon etwas Acht geben, denn wenn einer der Elefanten mal etwas heftiger aus der Rüsselnase ausatmet gibt es eine unfreiwillige Dusche.
Amber ist in vier Bereiche (Eingangs-, Audienz-, Familien- und Frauenbereich) unterteilt, die alle einen eigenen Innenhof haben.
Die Anlage und der kleine See davor sind so gestaltet, dass es im Inneren in den heißen Sommermonaten kühl bleibt.
Eins der Gebäude im Innenhof des Familienbereichs verfügte sogar über einen kleinen Wasserkanal zur Klimatisierung.
Über dem Fort Amber ragt auf dem Adlerberg das Fort Jaigarh empor.
Dieses wurde nur zu Verteidigungszwecken erbaut und ist nicht so prachtvoll wie die Forts, die auch als Palast dienten. Dafür haben es die Feinde nie geschafft, diese Festung einzunehmen. Innerhalb der Mauern gibt es große Paradeplätze, Gärten und Teiche.
Von den weitläufigen Anlagen haben wir einen herrlichen Ausblick über die Landschaft und das zu unseren Füßen liegende Amber.
Beide Forts sind durch einen Fluchttunnel verbunden, so dass die Königsfamilie im Verteidigungsfall vom Palast in das höher gelegene Fort Jaigarh fliehen konnte, ohne von den Feinden gesehen zu werden.
Im Fort Jaigarh befindet sich die größte jemals gebaute Kanone auf Rädern. Das Geschütz wiegt 50 Tonnen und kann eine 50 Kilogramm schwere Kanonenkugel bis zu 35 Kilometer weit feuern. Dazu werden 100 Kilogramm Schwarzpulver benötigt. Zum Glück kam sie nie zum Kriegseinsatz und wurde nur ein Mal abgefeuert.
Jaipur
Zurück aus der Wüste in das indische Verkehrschaos. Doch vorerst müssen wir die 650 Kilometer zwischen Khuri und Jaipur in Angriff nehmen. Da das Holi Festival bevor steht sind die Züge komplett ausgebucht, denn halb Indien ist unterwegs zum Familienbesuch. Also weichen wir auf einen der zahlreichen Nachtbusse aus. Diese Busvariante hat über den normalen Sitzplätzen noch einmal Liegeplätze.
Unsere anfängliche Begeisterung über die Privatsphäre, die wir in dem mit Glasscheiben vom Rest des Busses abgetrennten Abteil haben, legt sich, als die Fahrt los geht. Die Höhe des Busses zusammen mit dem Platz ganz hinten
und den indischen Straßenverhältnissen sorgen für ein Schaukeln und Hoppeln, das uns gleich wieder an den Kamelritt erinnert. Der Bus ist proppevoll, in einigen Abteilen, die nur halb so groß wie unseres sind, sitzen vier Inder mit Kindern. Sogar auf dem Dach reisen die Leute mit, was wir bis jetzt noch nicht gesehen haben und das bei den kalten Nachttemperaturen. Irgendwann werden wir in den Schlaf geschüttelt und fühlen uns am nächsten Morgen, nach 13-stündiger Fahrt, im wahrsten Sinne des Wortes wie gerädert.
Jaipur ist nach dem bedeutenden Krieger, Astronomen und Mathematiker Jai Singh II. (1688–1744) benannt, der im Alter von elf Jahren in Amber an die Macht kam. Aufgrund von Wassermangel und einer stetig wachsenden Einwohnerzahl veranlasste er 1727 den Bau von Jaipur. Nach nur etwa vier Jahren waren bereits die großen Paläste und die Straßen nach der Wissenschaft der indischen Architektur (Shilpa Shastra) erbaut und angelegt. Riesige Festungsmauern umgeben die Stadt, die aus neun gleich großen Blöcken mit quadratischem Grundriss besteht. Auf zweien befinden sich die staatlichen Gebäude und Paläste, die verbleibenden sieben bevölkert die Öffentlichkeit. Durch sieben mächtige Tore kann man in das bunte Treiben der unzähligen Basare der “Pink City” eintauchen.
Rosa ist traditionell die Farbe der Gastfreundschaft und so ließ im Jahre 1876 der Maharadscha Ram Singh anlässlich eines Besuchs des Prinzen von Wales (der spätere König Eduard VII.) die ganze Stadt rosa anstreichen. Heute sind die Bewohner der Altstadt gesetzlich verpflichtet, die Fassaden in ihrer Ursprungsfarbe zu erhalten. Nach wie vor sind in diesem Stadtteil den einzelnen Gewerben bestimmte Viertel zugeordnet. Wir laufen an unzähligen Läden vorbei, die alle Stoffe und Saris verkaufen.
Es ist, als ob wir durch einen nie enden wollenden bunten Kleiderschrank gehen.
Passend dazu gibt es in der darauf folgenden Straße die Schuhhändler,
anschließend Schmuck
und jede Menge Armreifen.
Vor einem kleinen Geschäft können wir sogar zuschauen, wie diese von Mutter, Vater und Sohn aus lac (Harz) manuell hergestellt werden.
Die gesamte Altstadt ist voller kleiner Läden, dessen Vielfalt unglaublich ist, denn für alles gibt es eigene Läden.
Kokoszucker
Drachen
Mehl
Metallgegenstände
Joghurt
Zeremonieutensilien
Handwerksmaterial
Henna kann man in unterschiedlichen Verpackungseinheiten erwerben
oder sich gleich vor Ort die Hände für besondere Anlässe verzieren lassen.
Für den ganz besonderen Tag im Leben kann man(n) sich hier einen der wunderschönen Anzüge ausleihen.
Von den großen Straßen zweigen nochmals unzählige Gassen hinein ins Labyrinth.
Einige Läden sind so schmal, dass man sie nur betreten kann, wenn die vorherigen Kunden ihre Einkäufe erledigt haben.
Nein, dass Photo ist nicht gespiegelt, die beiden Shops sehen fast identisch aus.
Wer keine Ladenzeile hat, der verkauft seine Ware einfach davor.
Den Marmorbildhauern schauen wir nur kurz bei der Arbeit über die Schulter, dann machen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub.
Das leidenschaftliche Hobby des Stadtgründers Jai Singh II. war die Astrologie. Im Laufe seines Lebens hat er fünf Observatorien gebaut. Die größte und besterhaltene Sternwarte steht in Jaipur direkt neben dem Stadtpalast.
Sie umfaßt 18 Instrumente, die größtenteils von Jai Singh II. selbst entworfen wurden,
darunter eine 27 Meter hohe Sonnenuhr.
Zu seinen Beratern gehörte neben seinen Lehrern auch seine Mutter. Neben der Zeit lassen sich mit den Instrumenten die Position und Bewegung der Sterne und Planeten bestimmen. Auch Vorhersagen über die Intensität des Monsuns sollen möglich sein.
Jantar Mantar, was übersetzt aus dem Sanskrit “Magisches Gerät” bedeutet, ist nicht nur das größte Observatorium Jai Singhs II., sondern auch das größte seiner Art weltweit. Durch die immer größeren Skalen wird die Winkelmessung präzisiert.
Doch in der Folgezeit setzten sich Feinmechanik und Ferngläser durch, wodurch solch große Anlagen überflüssig wurden.
Gleich neben dem Observatorium befindet sich der Jantar Mahal, der Palast der Winde.
Der Name beruht auf die ständige Luftzirkulation in seinem Inneren, die durch die 953 kunstvoll gestalteten und vergitterten Fenster entsteht. Die vielen Fenster erklären den einstigen und einzigen Zweck des Gebäudes, denn hinter ihnen konnten die Haremsdamen die Festumzüge zu Ehren des Herrschers beobachten ohne selber gesehen zu werden.
Straßenseitig ist der 1799 erbaute Palast fünf Stockwerke hoch, doch von der Rückseite her wirkt er eher wie eine Fassade, denn das Gebäude wird nach oben hin immer schmaler und hat nur eine Tiefe von fünf bis acht Metern.
Über der Altstadt wacht das Fort Nahargarh, das der Rückzugspunkt der Herrscher Jaipurs war. Die Mauern ziehen sich durch die umliegenden Hügel und bilden gemeinsam mit den Forts Amber und Jaigarh einen Verteidigungsring für die Stadt.
Das Fort dient nur der Verteidigung und ist daher schlicht gehalten.
Ein kleiner Palastbau hätte der Königsfamilie im Notfall als Unterkunft gedient. Doch dazu ist es nie gekommen, da die Rajputen zu der Zeit gute Beziehungen zu ihren Nachbarn und deren Herrschern pflegten. Von dem Fort haben wir einen hervorragenden Überblick über die Stadt, die sich in der Ebene unter dem Festungshügel ausbreitet.
In den letzten Jahrzehnten erlebte die Hauptstadt Rajasthans einen wahren Bevölkerungsboom. So hat sich die Einwohnerzahl in den Jahren 1951 bis 2011 von 300.000 auf über 3 Millionen verzehnfacht. Zwischenzeitlich lagen die Zuwachsraten regelmäßig bei 50 Prozent. Daher wird auch hier, wie in den anderen Großstädten Indiens, an einer Metro gebaut, um dem mit der Einwohnerzahl ständig steigendem Verkehr Herr zu werden. Eine der Hochbahnlinien führt direkt an unserem Guest House vorbei. Die Züge, die fast auf Augenhöhe an dem Dachgarten vorbeifahren, sind noch leer, denn zur Zeit laufen noch die Testfahrten. Der reguläre Betrieb soll am 30. März aufgenommen werden. Daher heißt es für uns noch laufen, laufen, laufen, da in Jaipur das Verhältnis Sehenswürdigkeit zu zurückgelegten Kilometern leider nicht sehr groß ist.
Krishna Tempel mit Iswari Minar Swarga Sal Minarett im Hintergrund
Albert Hall
Maximale Ausnutzung
Eine Schippe geht noch rauf … vielleicht.
So voll beladen sehen wir nicht nur Traktoren, sondern auch etliche Lastwagen in allen Größen. Bei manchen fragen wir uns, wie die Ladung überhaupt auf den Wagen gekommen ist. Bei vielen Mautstellen gibt es Waagen für Busse und Lastwagen und bei Überladung wird gleich an Ort und Stelle ein Bußgeld fällig.
Die einachsigen Treckeranhänger werden in kleinen Werkstätten in Handarbeit zusammen geschweißt, so wie auch viele der landwirtschaftlichen Geräte.
Kasten und Tikas
Wer an Indien denkt, denkt unweigerlich auch an das Kastensystem, zumindest bei uns sind die beiden Begriffe eng miteinander verbunden. Aber trotz allem, was wir bis jetzt in Deutschland darüber gelesen oder gehört hatten, bleibt für uns Aussenstehende die Kastenordnung unsichtbar. Was auch immer man sich darunter aus der Ferne vorstellt, das alltägliche Leben scheint ganz normal abzulaufen.
Doch auch wenn sich bereits Gandhi für die Abschaffung der Kasten einsetzte und alle Benachteiligungen durch das System mittlerweile gesetzlich verboten sind, so ist es aus dem praktischen Leben nicht völlig verschwunden.
Aber was bedeuten die Kasten überhaupt? Zunächst gibt es die vier Hauptkasten, die Varnas. Die Bezeichnung Varna stammt aus dem Sanskrit und bedeutet Klasse oder Stand aber auch Farbe.
Die höchste Kaste ist die der Brahmanen, die weiteren folgen in ihrer Rangfolge.
Die Brahmanen sind traditionell die intellektuelle Elite und Priester, die die heiligen Schriften auslegen. Diese Kaste ist vergleichbar mit unserem Klerus.
Der Kaste der Kshatriyas gehören Krieger, Fürsten und höhere Beamte an und ist ähnlich unserem Adel.
Die Vaishyas sind Händler, Kaufleute, Grundbesitzer und Landwirte und entsprechen unserem Bürgertum.
Die vierte und unterste Kaste sind die Shudras, die Handwerker, Bauern und Tagelöhner.
Unter den vier Hauptkasten stehen die “Unberührbaren”, die auch als Parias oder Harijans bekannt sind.
Die Varnas werden in Jatis untergliedert, die wiederum einer bestimmten Rangordnung unterliegen. Die Jatis sind soziale und familiäre Verbindungen, Clans oder Berufsgruppen und erinnern in etwa an die mittelalterliche Ständerordnung in Europa. Es gibt ca. 3000 Jatis, deren Zugehörigkeit unter anderem an dem Nachnamen erkannt werden kann. Früher war mit dieser Zugehörigkeit eine strenge Heiratsordnung verbunden, an der auch heute noch des öfteren festgehalten wird. Der Aufstieg eines Einzelnen aus dem Jati ist nicht möglich, wohl aber der Aufstieg eines gesamten Jatis, wenn Rituale, Symbole und Lebensstil eines höheren übernommen werden.
Die Zugehörigkeit zu einer Kaste ist nicht automatisch mit arm oder reich gleichzusetzen. Die Chancen auf Wohlstand für die untersten Kasten sind natürlich am geringsten, da ihnen der Zugang zu Bildung und den entsprechenden Berufen verwehrt ist, aber die Möglichkeit besteht, so wie es auch unter den Brahmanen viele mittellose Familien gibt.
In Europa ist der Irrglaube weit verbreitet, dass die Stirnpunkte die Kastenzugehörigkeit kennzeichnen, doch dies ist nicht so. Die sogenannten Bindis und Tikas haben eine andere Bedeutung.
Ein Bindi ist ein aufgemalter runder Punkt zwischen den Augenbrauen. Früher wurden die Punkte nur von verheirateten Frauen getragen, um sich und ihren Ehemann zu schützen.
Heute ist es Mode, den Punkt zu tragen und man sieht ihn auch bei unverheirateten Frauen, jungen Mädchen, Kindern und Männern.
Das Bindi wird auch als Schmuck getragen, der anstelle des Farbpunktes aufgeklebt wird.
Für verheiratete Frauen ist er aber weiterhin obligatorisch und wird erst als Witwe abgelegt.
Das Bindi ist eine spezielle Form des Tika. So nennt man die verschiedenen Segenszeichen der Hindus, die zum Abschluss einer hinduistischen Zeremonie oder zu anderen feierlichen Anlässen mit Pulverfarbe auf die Stirn gemalt werden.
Ein Tika oder auch Tilaka kann ein Punkt sein oder auch ein waagerechter oder senkrechter Strich, es markiert das Energiezentrum, das “dritte Auge”, das sich an dieser Stelle befindet und beschützt es so. Da es ein Segenszeichen ist kann es von Frauen, Männern und Kindern gleichermaßen getragen werden.
Auch bei den Tikas wird es noch beliebig kompliziert, denn es gibt noch einige andere Formen und Varianten, die die Religionszugehörigkeit bzw. die verehrten Götter kennzeichnen.