Zurück aus der Wüste in das indische Verkehrschaos. Doch vorerst müssen wir die 650 Kilometer zwischen Khuri und Jaipur in Angriff nehmen. Da das Holi Festival bevor steht sind die Züge komplett ausgebucht, denn halb Indien ist unterwegs zum Familienbesuch. Also weichen wir auf einen der zahlreichen Nachtbusse aus. Diese Busvariante hat über den normalen Sitzplätzen noch einmal Liegeplätze.
Unsere anfängliche Begeisterung über die Privatsphäre, die wir in dem mit Glasscheiben vom Rest des Busses abgetrennten Abteil haben, legt sich, als die Fahrt los geht. Die Höhe des Busses zusammen mit dem Platz ganz hinten
und den indischen Straßenverhältnissen sorgen für ein Schaukeln und Hoppeln, das uns gleich wieder an den Kamelritt erinnert. Der Bus ist proppevoll, in einigen Abteilen, die nur halb so groß wie unseres sind, sitzen vier Inder mit Kindern. Sogar auf dem Dach reisen die Leute mit, was wir bis jetzt noch nicht gesehen haben und das bei den kalten Nachttemperaturen. Irgendwann werden wir in den Schlaf geschüttelt und fühlen uns am nächsten Morgen, nach 13-stündiger Fahrt, im wahrsten Sinne des Wortes wie gerädert.
Jaipur ist nach dem bedeutenden Krieger, Astronomen und Mathematiker Jai Singh II. (1688–1744) benannt, der im Alter von elf Jahren in Amber an die Macht kam. Aufgrund von Wassermangel und einer stetig wachsenden Einwohnerzahl veranlasste er 1727 den Bau von Jaipur. Nach nur etwa vier Jahren waren bereits die großen Paläste und die Straßen nach der Wissenschaft der indischen Architektur (Shilpa Shastra) erbaut und angelegt. Riesige Festungsmauern umgeben die Stadt, die aus neun gleich großen Blöcken mit quadratischem Grundriss besteht. Auf zweien befinden sich die staatlichen Gebäude und Paläste, die verbleibenden sieben bevölkert die Öffentlichkeit. Durch sieben mächtige Tore kann man in das bunte Treiben der unzähligen Basare der “Pink City” eintauchen.
Rosa ist traditionell die Farbe der Gastfreundschaft und so ließ im Jahre 1876 der Maharadscha Ram Singh anlässlich eines Besuchs des Prinzen von Wales (der spätere König Eduard VII.) die ganze Stadt rosa anstreichen. Heute sind die Bewohner der Altstadt gesetzlich verpflichtet, die Fassaden in ihrer Ursprungsfarbe zu erhalten. Nach wie vor sind in diesem Stadtteil den einzelnen Gewerben bestimmte Viertel zugeordnet. Wir laufen an unzähligen Läden vorbei, die alle Stoffe und Saris verkaufen.
Es ist, als ob wir durch einen nie enden wollenden bunten Kleiderschrank gehen.
Passend dazu gibt es in der darauf folgenden Straße die Schuhhändler,
anschließend Schmuck
und jede Menge Armreifen.
Vor einem kleinen Geschäft können wir sogar zuschauen, wie diese von Mutter, Vater und Sohn aus lac (Harz) manuell hergestellt werden.
Die gesamte Altstadt ist voller kleiner Läden, dessen Vielfalt unglaublich ist, denn für alles gibt es eigene Läden.
Kokoszucker
Drachen
Mehl
Metallgegenstände
Joghurt
Zeremonieutensilien
Handwerksmaterial
Henna kann man in unterschiedlichen Verpackungseinheiten erwerben
oder sich gleich vor Ort die Hände für besondere Anlässe verzieren lassen.
Für den ganz besonderen Tag im Leben kann man(n) sich hier einen der wunderschönen Anzüge ausleihen.
Von den großen Straßen zweigen nochmals unzählige Gassen hinein ins Labyrinth.
Einige Läden sind so schmal, dass man sie nur betreten kann, wenn die vorherigen Kunden ihre Einkäufe erledigt haben.
Nein, dass Photo ist nicht gespiegelt, die beiden Shops sehen fast identisch aus.
Wer keine Ladenzeile hat, der verkauft seine Ware einfach davor.
Den Marmorbildhauern schauen wir nur kurz bei der Arbeit über die Schulter, dann machen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub.
Das leidenschaftliche Hobby des Stadtgründers Jai Singh II. war die Astrologie. Im Laufe seines Lebens hat er fünf Observatorien gebaut. Die größte und besterhaltene Sternwarte steht in Jaipur direkt neben dem Stadtpalast.
Sie umfaßt 18 Instrumente, die größtenteils von Jai Singh II. selbst entworfen wurden,
darunter eine 27 Meter hohe Sonnenuhr.
Zu seinen Beratern gehörte neben seinen Lehrern auch seine Mutter. Neben der Zeit lassen sich mit den Instrumenten die Position und Bewegung der Sterne und Planeten bestimmen. Auch Vorhersagen über die Intensität des Monsuns sollen möglich sein.
Jantar Mantar, was übersetzt aus dem Sanskrit “Magisches Gerät” bedeutet, ist nicht nur das größte Observatorium Jai Singhs II., sondern auch das größte seiner Art weltweit. Durch die immer größeren Skalen wird die Winkelmessung präzisiert.
Doch in der Folgezeit setzten sich Feinmechanik und Ferngläser durch, wodurch solch große Anlagen überflüssig wurden.
Gleich neben dem Observatorium befindet sich der Jantar Mahal, der Palast der Winde.
Der Name beruht auf die ständige Luftzirkulation in seinem Inneren, die durch die 953 kunstvoll gestalteten und vergitterten Fenster entsteht. Die vielen Fenster erklären den einstigen und einzigen Zweck des Gebäudes, denn hinter ihnen konnten die Haremsdamen die Festumzüge zu Ehren des Herrschers beobachten ohne selber gesehen zu werden.
Straßenseitig ist der 1799 erbaute Palast fünf Stockwerke hoch, doch von der Rückseite her wirkt er eher wie eine Fassade, denn das Gebäude wird nach oben hin immer schmaler und hat nur eine Tiefe von fünf bis acht Metern.
Über der Altstadt wacht das Fort Nahargarh, das der Rückzugspunkt der Herrscher Jaipurs war. Die Mauern ziehen sich durch die umliegenden Hügel und bilden gemeinsam mit den Forts Amber und Jaigarh einen Verteidigungsring für die Stadt.
Das Fort dient nur der Verteidigung und ist daher schlicht gehalten.
Ein kleiner Palastbau hätte der Königsfamilie im Notfall als Unterkunft gedient. Doch dazu ist es nie gekommen, da die Rajputen zu der Zeit gute Beziehungen zu ihren Nachbarn und deren Herrschern pflegten. Von dem Fort haben wir einen hervorragenden Überblick über die Stadt, die sich in der Ebene unter dem Festungshügel ausbreitet.
In den letzten Jahrzehnten erlebte die Hauptstadt Rajasthans einen wahren Bevölkerungsboom. So hat sich die Einwohnerzahl in den Jahren 1951 bis 2011 von 300.000 auf über 3 Millionen verzehnfacht. Zwischenzeitlich lagen die Zuwachsraten regelmäßig bei 50 Prozent. Daher wird auch hier, wie in den anderen Großstädten Indiens, an einer Metro gebaut, um dem mit der Einwohnerzahl ständig steigendem Verkehr Herr zu werden. Eine der Hochbahnlinien führt direkt an unserem Guest House vorbei. Die Züge, die fast auf Augenhöhe an dem Dachgarten vorbeifahren, sind noch leer, denn zur Zeit laufen noch die Testfahrten. Der reguläre Betrieb soll am 30. März aufgenommen werden. Daher heißt es für uns noch laufen, laufen, laufen, da in Jaipur das Verhältnis Sehenswürdigkeit zu zurückgelegten Kilometern leider nicht sehr groß ist.
Krishna Tempel mit Iswari Minar Swarga Sal Minarett im Hintergrund
Albert Hall
Wie immer schöne Fotos. Ihr habt es wenigstens geschafft in den Palast und das Obsavatorium zu kommen Nicht so wie Prabhu und ich…
Und wie gefällt euch der Norden im Gegensatz zum Süden? Drück euch!
Im Süden sind die Leute entspannter; das Essen leckerer und günstiger.