Und noch einmal geht es 270 Kilometer Richtung Westen. So nah wie in Jaisalmer werden wir Euch die nächsten Monate nicht wieder sein, wenn man nur die Längengrade betrachtet. Für die Strecke benötigt der Bus etwa sechs Stunden, dann sind wir endlich am Ziel. Vorbei geht es an Lehmhütten, vor denen geflochtene Betten stehen. Die Windkrafträder beachten wir auf den ersten Blick gar nicht weiter, ist der Anblick uns aus Deutschland noch so geläufig. Dabei sind es die ersten Anlagen, die wir seit unserer Abreise sehen. Die Landschaft wird nochmals trockener, mittlerweile sind auch die grünen Büsche rar, dafür begegnen wir immer mehr Kamelen.
Einige der Männer tragen Blumenohrringe oder Ketten an den Ohren,
die Frauen schmücken sich mit Unmengen von weißen Reifen an den Oberarmen
und gefährlich aussehenden Silberarmreifen mit “Dornen”.
Jaisalmer ist eine Stadt im Herzen der Thar-Wüste.
Doch was treibt den Reisenden in diese unwirtliche Gegend?
Ihr werdet es bestimmt schon erraten haben, die Attraktion ist auch hier ein Fort, eins der größten der Welt.
Damit es nicht langweilig wird ist dieses anders als die übrigen, die wir bis jetzt gesehen haben. Das Fort ist nämlich noch vollständig bebaut und wird von fast 3000 Menschen bewohnt.
Das ist auch gleichzeitig eines der größten Probleme in Jaisalmer. Die seit den 1960ern stark angestiegene Population überfordert die Wasser- und Abwasserleitungen. Fundamente wurden unterspült, als Folge stürzten drei der alten Bastionen ein und der Palast neigte sich zur Seite. In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt, doch Experten sind der Meinung, dass nur eine Umsiedlung der Bevölkerung auf lange Sicht die Festung erhalten kann.
Die Festung und die Gassen in der Altstadt außerhalb werden bestimmt durch wunderschöne und reich verzierte Sandsteinhäuser.
Ihr warmer Farbton gab Jaisalmer den Beinamen “Golden City”. Vor allem im Licht der untergehenden Sonne macht die Stadt ihrem Namen alle Ehre, denn dann leuchten die Häuser tatsächlich als wären sie mit Gold überzogen.
Den früheren Reichtum hatte Jaisalmer seiner guten Lage an der Route der Kamelkarawanen zu verdanken. Doch mit der Entstehung und der Grenze zu Pakistan mit dem Ende der englischen Kolonialherrschaft endete auch der Handel in Richtung Westen. Viele Familien zogen weg und Jaisalmer geriet in Vergessenheit, bis es vom Tourismus wiedererweckt wurde.
Seinen Namen hat die Stadt von Jaisal, einem Bhati-Rajhputen, der sie 1156 gründete. Die Bhatis, die meinen, von Krishna abzustammen, regierten ununterbrochen bis zur Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1947.
Die alten Sandsteinhäuser werden Havelis genannt und sind an die 400 Jahre alt.
Da früher das Wasser in der Wüste knapp war, wurden die Havelis ohne Einsatz von bindendem Mörtel gebaut. Die Steine sind so behauen, dass sie ähnlich den Legosteinen zusammengesetzt werden,
anschließend werden sie mit Eisenteilen gesichert.
Die Decken sind aus Teakholz gebaut, das aus Afghanistan importiert wurde. Der Reichtum durch den Opiumhandel machte es möglich. Zusätzlich befinden sich Holzelemente in den Wänden, wodurch das Gebäude erdbebensicherer wird. Die Treppenabsätze sind mit unterschiedlich hohen Stufen versehen, um es eventuellen Angreifern schwerer zu machen. Der Schutz vor Angreifern ist, neben dem Sonnenschutz, auch ein Grund für die niedrigen Türen. Wer kann schon geduckt und mit gezogenem Schwert erfolgreich durch eine Tür stürmen. Einige Male durften wir unsere Köpfe einziehen und einen Blick in die so ganz unterschiedlichen Innenräume werfen.
Wir erfahren auch etwas über die Wasserwirtschaft aus der damaligen Zeit. Man wusch sich auf einer Art steinernen Hocker, von dem das Wasser wieder aufgefangen wurde.
Zur Körperreinigung benutzte man eine Art metallische Bürste. Für die Frauen waren darin kleine Glöckchen eingearbeitet, so konnte der Ehemann hören, dass er gerade nicht stören durfte. Nachdem sich der Schmutz abgesetzt hatte wurde das Wasser zum Waschen der Kleidung benutzt, anschließend zur Reinigung des Fußbodens. Zum Schluss gelangte das Wasser mit der Toilettenspülung zum Wässern auf den Acker.
Farben haben hier in der eher eintönigen Wüste seit jeher eine wichtige Bedeutung. Im Juli, wenn die heiße Sommersonne von Himmel brennt, trägt man die Farbe der Wolken, damit bald der Regen kommt. Zur Hochzeit trägt die Braut ein tiefes Rot und der Bräutigam einen safrangelben Turban, der auch in der Schlacht getragen wurde. Die Farbe Rosa verheißt den verheirateten Frauen Gutes. Bei den Feierlichkeiten zum Holi, dem Erntedankfest, werden rote und weiße Kleider getragen, zum Divali (Lichterfest) blau.