Weiter geht es Richtung Westen nach Jodhpur, hinein in die Thar-Wüste. Die Landschaft, die sich vor den Busfenstern ausbreitet, ist braun und trocken, nur die Büsche und Bäume bieten ein wenig grüne Abwechslung. Hin und wieder sehen wir noch das eine oder andere Feld, doch es werden immer weniger. Dafür begegnen uns in Rajasthan jede Menge Lastwagen mit großen Marmorblöcken, die den Marmor aus den Steinbrüchen in die weiterverarbeitenden Betriebe bringen.
Früher war das Gebiet unter dem reizenden Namen Marwar bekannt, was übersetzt allerdings “Land des Todes” heißt. Gut dass wir im Bus sitzen und genügend Wasser dabei haben. Kein Wunder also, dass einer der Spitznamen Jodhpurs “Sun City” lautet, denn das steppenartige Klima sorgt für jede Menge Sonnenstunden und entsprechende Temperaturen. Zum Glück ist gerade Frühling und tagsüber wird es mit knapp über 30 Grad noch nicht ganz so heiß.
Ein anderer Spitzname für Jodhpur ist “blaue Stadt”. Das liegt an den unzähligen blau gestrichenen Häusern der Altstadt. Früher zeigte ein blau gestrichenes Haus an, dass dort ein Brahmane wohnt, doch heute sind auch viele andere Häuser blau gestrichen. Zusätzlich soll der glänzende Farbton dafür sorgen, dass Insekten fern gehalten werden.
Die Altstadt befindet sich innerhalb der zehn Kilometer langen Stadtmauer und ist durchzogen von unzähligen kleinen Gassen, in denen es überall etwas zu entdecken gibt. Schnell sind wir länger unterwegs als wir denken und haben unser ursprüngliches Ziel fast vergessen.
Frauen backen Brot auf der Straße.
Überall gibt es kleine Kioske mit unterschiedlichsten Angeboten von Süßigkeiten bis Toilettenartikel.
Woanders wird Gemüse verkauft.
Oder gerade Pause gemacht.
Zum Glück gibt es mitten in der Stadt den alten Uhrenturm mit seinem Tor zum Markt, der uns als Orientierung dient.
122 Meter über der Stadt thront und wacht auf einem felsigen Grat die Festung Mehrangarh. Mit ihren bis zu 36 Meter hohen Mauern ist sie eines der größten Forts in Indien. Mitte des 15. Jahrhunderts begann Rao Jodha der Anführer der Rathore-Rajputen mit dem Bau, der für damalige Verhältnisse gigantische Dimension hatte und auch heute noch durch seine Größe beeindruckt. Kein Gegner hat es je geschafft die Festung einzunehmen, selbst eine sechs monatige Belagerung im heißen Wüstensommer konnte abgewehrt werden. Noch heute zeugen fast 2000 Kanoneneinschläge in den dicken Mauern von den Angriffen, die sie standhalten mußten.
Hinter den Eingangstoren befinden sich mehrere kleine Handabdrücke an den Wänden. Sie erinnern an die Witwen der Maharadschas, die nach dem Tod ihrer Ehemänner den Sati begingen. Dies ist die Selbstopferung in den Flammen des Begräbnisscheiterhaufens der Ehemänner. Die letzten Frauen, die hier den königlichen Sati begingen, waren 1843 die Witwen von Maharadscha Man Singh.
Die Mauern sind so rot wie der Berg, auf dem sie erbaut wurden. Kein Wunder, denn die Steine wurden gleich an Ort und Stelle aus dem Felsen geschlagen und verbaut. Nur die unteren Etagen sind mit Kalk verputzt und damit heller. Die Festung befindet sich noch heute im Besitz der königlichen Familie Jodhpurs.
Im Fort befindet sich ein Museum, das sich über die Innenhöfe und Gebäude des ehemaligen Palasts innerhalb des Forts erstreckt. Es gibt Elefanten-Howdahs (die “Sättel” für die Elefanten),
und Sänften, alles aus dem königlichen Besitz.
Die Sänften der Frauen sind verschleiert, um die Frauen vor den Blicken der Männer zu schützen. In einer der Sänften war die Großmutter des jetzigen Maharadschas 1925 zu Besuch in England. Mit dieser wurde die Dame vom Hotel zu den ebenfalls verschleierten Rolls Royce getragen. Der neugierigen Presse gelang lediglich ein Photo ihres unverhüllten Knöchels, das in den Zeitungen erschien. Doch auch das reichte schon aus, um in Indien für einen Skandal zu sorgen und so wurden alle Exemplare der Zeitung in Indien aufgekauft.
Zu den Ausstellungsstücken gehört auch eine Hukka, eine Wasserpfeife. Mit einer solchen Hukka wird nicht, wie im Westen oft angenommen, Opium geraucht, sondern sie dient nur dem Rauchen von parfümierten Tabak. Das Opium wurde nicht geraucht, sondern zerstoßen, gefiltert und als Opiumwasser getrunken. Diese Zeremonie gehört heute noch in Rajasthan zur Tradition, z.B. bei Hochzeiten, Streitniederlegungen, Gedenken an Verstorbene, usw. Aus solchen kleinen Silberkaraffen wurde in der königlichen Familie das Opium ausgeschenkt.
Das Museum führt uns durch die reich verzierten Residenz- und Wohnräume des Palasts.
Decken und Wände sind mit aufwendigen Malereien dekoriert.
Die einzelnen Teile des Palastes sind über Innenhöfe miteinander verbunden.
Von den dicken Festungsmauern haben wir einen guten Überblick über die unter uns liegende Stadt.
Hier noch zwei alte Ansichten vom Fort und vom Stadttor am Uhrenturm.