Angkor heißt wörtlich aus dem Khmer übersetzt so viel wie “Stadt”, doch es beschreibt auch die Region im Bereich des heutigen Siem Reap. Zur Blütezeit lebten hier Anfang des elften Jahrhunderts etwa eine Millionen Menschen.
Die Herrscher bauten im Laufe der Zeit mehrere Paläste und Tempelanlagen, die für sich genommen eigene kleine Städte sind. Die weltweit bekannteste und berühmteste Anlage ist Angkor Wat.
Im fünfzehnten Jahrhundert verlegten jedoch die Khmer ihren Machtsitz nach Phnom Penh und Angkor verlor an Bedeutung. Doch gerieten die Tempel bei den Khmer, im Gegensatz zu Borobudur in Indonesien, nie in Vergessenheit, sondern wurden durchgängig bewohnt und Angkor Wat aktiv genutzt,
auch wenn teils eingestürzte und überwucherte Gebäude andere Vermutungen nahe legen. Die ersten Europäer, die in Angkor eintrafen, waren portugiesische Missionare im sechzehnten Jahrhundert. Bekanntheit in Europa erlangten die Tempel durch die detaillierten Reiseberichte des französischen Forschers Henri Mouhot. Leider gingen mit der steigenden Aufmerksamkeit auch steigende Diebstähle einher. Die wenigen Statuen und Reliefs, die die Kriege mit Kambodschas Nachbarländern und den damit verbundenen Plünderungen überlebt hatten, wurden Opfer von Expeditions- und Kunsträubern. Selbst heute noch wird mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest ist, selbst vor Nachbildungen aus Beton machen die Diebe nicht halt.
Da der frühe Vogel den Sonnenaufgang fängt, schwingen wir uns schon kurz nach fünf auf die Drahtesel und radeln die gut acht Kilometer bis Angkor Wat, mit kurzem Zwischenstop am Eintrittskartenverkauf. Selbst die Tagestickets gibt es nur noch mit Photos, damit man die Billets auf den weitläufigen Gelände nicht untereinander austauscht. Ebenfalls gut durchdacht und organisiert ist der Verkauf, um dem gewaltigen Andrang von 2,4 Millionen Besucher im Jahr bewältigen zu können.
Fast alle, die sich ebenfalls den Sonnenaufgang anschauen wollen, sind allerdings im Tuk-Tuk unterwegs und hängen uns erst mal ab.
Doch wir schaffen es auch noch rechtzeitig und
können die Sonne dabei beobachten,
wie sie über den Türmen von Angkor Wat aufgeht.
Bei Angkor Wat handelt es sich um das größte sakrale Bauwerk weltweit. Erbaut wurde die Anlage im frühen zwölften Jahrhundert, als die Khmer die Region dominierten. Ihren Reichtum erwirtschafteten sie unter anderem damit, dass sie künstliche Bewässerungssysteme für ihre Felder bauten und so bis zu drei Reiserenten im Jahr einfahren konnten. An die 300.000 Arbeiter und unzählige Elefanten waren mit dem Bau beschäftigt.
Die Steine stammten aus den fünfzig Kilometer entfernten Bergen und wurden per Fluss zu den Baustellen gebracht. Der rechteckige Kanal um Angkor Wat herum ist 1,3 km x 1,5 km lang und zwischen 170 m und 190 m breit. Auch er diente während der Bauzeit dem Transport der Steinblöcke. Später hielt der Kanal die Dschungelvegetation zurück und sorgte so dafür, dass sich dort die Schäden durch Pflanzenbewuchs in Grenzen hielten. Den besten Überblick erhält man sicherlich aus der Vogelperspektive,
wir klettern hingegen “nur” in die höchste Ebene der Anlage, die wie eine Pyramide konzipiert ist.
Damit man eine Vorstellung der Ausmaße erhält, die fünf Türme haben eine Höhe bis zu 65 Metern.
Angkor Wat stammt aus der Zeit, als noch der hinduistische Glaube in Kambodscha verbreitet war und ist dem Gott Vishnu gewidmet.
Viele der Reliefs an den Tempelwänden stellen Apsaras (eine Art himmlische Nymphen) dar, die sich nicht nur in der Machart sondern auch in Details, wie zum Beispiel schon alleine die variierenden 37 Frisuren, unterscheiden, so dass keine der etwa 1850 Nymphen wie die andere ist.
Leider wurde in den 1980ern durch Unwissenheit bei den Restaurierungsarbeiten viel Schaden angerichtet, doch seit der Gründung des German Apsara Conservation Project im Jahr 1995 arbeitet das 27-köpfige Team zusammen mit Voluntären von Fachhochschulen und Universitäten aus dem In- und Ausland, emsig an der Erhaltung.
Um den zentralen Tempel erstrecken sich über eine Länge von 800 m auf eintausend Quadratmetern Wandreliefs, die Szenen und Geschichten aus der hinduistischen Mythologie zeigen.
Auf den Flachreliefs werden Szenen aus den “Quirlen des Milchozeans” dargestellt, dem hinduistische Schöpfungsmythos. Er handelt von der Suche nach dem Unsterblichkeitstrank, den sowohl die Götter wie auch die Dämonen begehren.
Das “Mahabarata” ist das erste indische Nationalepos. Auf etwa einhunderttausend Doppelversen werden Themen des Hinduismus wie das Leben der Geschöpfe, Tod und Wiedergeburt, Kharma, Glück, Leid usw. behandelt.
Im zweiten indischen Nationalepos, dem “Ramayana”, wird in sieben Büchern die Geschichte des Prinzen Ramas erzählt. Er wird des Hofes verbannt und besiegt später den Fürsten der Dämonen.
An vielen Stellen können wir sehen, wie der Zahn der Zeit an Angkor Wat nagt. Stürze müssen abgestützt werden
und viele der äußeren Steine sind abgefallen, so dass die Unterkonstruktion mit einfachem Gestein zum Vorschein kommt.
Der erste Haupttempel, der in der Angkor-Region im späten neunten bis frühen zehnten Jahrhundert von seinem damaligen König Yasovarman erbaut wurde, ist Phnom Bakheng. Phnom ist das Khmer-Wort für Berg und so steht vor der Besichtigung ein kurzer aber schweißtreibender Anstieg auf dem Programm, zum Glück ist das restliche Gelände topfeben.
Früher mussten die Elefanten die Steine für die Bauten Angkors schleppen. Heute ist ihre Last etwas leichter, denn wer möchte, kann die Tempel auf dem Rücken der grauen Riesen erkunden.
Ein kleiner hinduistischer Tempel an der Straße nach Angkor Thom ist der Baksei Chamkrong, der “Vogel mit schützenden Flügeln”. Das besondere an dem aus dem zehnten Jahrhundert stammenden 12 m hohen Tempel ist, dass die Baumeister unter König Harshavarman I hier zum ersten Mal Laterit eingesetzt haben. Das ist ein in den Tropen vorkommendes Oberflächengestein, das in Blöcken aus dem Boden gehauen wird. Bei allen nachfolgenden Tempelanlagen kam Laterit für die Unterkonstruktion zum Einsatz.
Ein kleines Stückchen weiter liegt der kleine Hindu Tempel ebenfalls aus dem zehnten Jahrhundert mit dem Namen Prasat Bei. Wenn man sich den Bau vom König Yasovarman I anschaut wundert es nicht weiter, dass der Name übersetzt “Drei Türme” heißt.
Auch Angkor Thom, was ins Deutsche übersetzt große Stadt bedeutet, hat seinen Namen zu recht erhalten, denn die alte Königsstadt ist mit seinen neun Quadratkilometern die größte Anlage. Mit dem Bau, in dessen Mittelpunkt das Bayon steht, wurde unter König Jayarvaman VII, dem ersten buddhistischen Herrscher der Khmer, im späten zwölften Jahrhundert begonnen.
Durch fünf Stadttore kann man über Brücken ins Innere gelangen.
Schon beim Durchschreiten des Südtores werden wir vom “Lächeln von Angkor” begrüßt. So werden die Aufbauten mit den Gesichtern bezeichnet, die wir auch beim Tempel Bayon wiederfinden.
Auf seinen 37 Türmen befinden sich jeweils vier steinerne Gesichter.
Im Gegensatz zu anderen Tempelanlagen hat der Bayon einen runden Grundriss und ist von offenen Säulengängen und nicht von Mauern umgeben.
Auch wurde er von nachfolgenden Herrschern nicht abgerissen, um an der Stelle einen neuen Tempel zu bauen, sondern ständig erweitert, so dass er wesentlich komplexer ist als andere Tempelanlagen.
Auch er weißt eine Vielzahl an Reliefs
sowie Schreine auf.
Durch dieses Tor betreten wir den Bereich des Königspalastes.
Hier befindet sich der Tempel Phimeanakas, ein pyramidenförmiger Bau, der im elften Jahrhundert vom König Jayavarman V errichtet wurde. Gekrönt wurde der Bau vermutlich von einem vergoldeten Turm, der nicht mehr erhalten ist.
Ebenfalls aus dem elften Jahrhundert stammt der vom König Udayadityavarman II erbaute große Tempelberg Baphuon,
der aus der Zeit des hinduistischen Glaubens stammt und Vishnu gewidmet wurde.
Später wurde die Rückseite des Tempels mit einem siebzig Meter langen Flachrelief eines liegenden Buddhas umgestaltet, was auf dem Photo leider nicht so gut zu sehen ist.
Die Anlage war im Laufe der Zeit fast vollständig eingestürzt und wurde seit 1960 Stein für Stein wieder zusammengesetzt. Die Machtergreifung der Roten Khmer verzögerte den Wiederaufbau jedoch erheblich.
Bei den Prasats Suor Prat erwischt uns der erste Regenschauer. Dies ist eine Reihe von zwölf kleinen Türmen (Prasat), deren Funktion bis heute nicht klar ist. Von dem Baum aus, unter dem wir das Ende des Regens abwarten, schauen wir auf einen Teil der von König Indravarman II errichteten Bauwerke.
Durch das East Gate verlassen wir Angkor Thom, kommen am Victoria Gate vorbei und erreichen Ta Phrom.
Die buddhistische Tempelanlage umfasste einst ein großes Kloster, in dem über zwölftausend Mönche lebten. Bekannt ist der Tempel für seine überwucherten Mauern.
Als damit begonnen wurde, die Ruinen von Angkor zu restaurieren, sollte ein Tempel im vorgefundenen Zustand bleiben
und die Wahl fiel auf das von König Jayavarman VII aus dem mittleren zwölften bis frühen dreizehnten Jahrhundert stammende Ta Prohm. Die Gebäude wurden so weit gesichert, dass sich die Besucher gefahrlos in ihnen bewegen können.
Es hat es mittlerweile wieder zu regnen begonnen und wir müssen uns mit dem Regenschirm bewaffnet auf Entdeckungstour begeben.
Besonders eindrucksvoll sind die Wurzeln der Würgefeige. Der Baum macht seinem Namen alle Ehre und hat die Mauern fest in seinem Griff.
Auch die Filmindustrie hat den Charme von Ta Prohm entdeckt. So dienten die Ruinen als Kulisse zu dem Film “Lara Croft: Tomb Raider”. Das Wetter wird auch nach unserem Rundgang nicht besser und so nehmen wir die fünfzehn Kilometer Rückweg bei strömenden Regen auf den Rädern in Angriff. Nach insgesamt elf Stunden sind wir pitschnass und erschöpft aber glücklich wieder in unserem Zimmer.
Sprachlos! Ich drücke euch