Der ein oder andere wird es bemerkt haben: am Nachmittag des 9. Februar fiel der Server aus, auf dem unser Blog liegt, sodass dieser für knapp 3 Tage nicht erreichbar war. Laut dem Anbieter bplaced wurden die betroffenen Komponenten ausgetauscht und auch der Hersteller gewechselt. Wir hoffen, dass alle unsere Reiseeinträge wieder hergestellt worden und wir nun wieder wie gewohnt 24/7 für Euch erreichbar sind.
Monthly Archives: Februar 2015
Freiluftwerkstatt
Wie so vieles anderes findet auch die Autoreperatur unter freiem Himmel statt. Auch wenn die Umgebung etwas staubiger ist hält das den indischen Lackierer nicht von seiner Arbeit ab. Erst wird gespachtelt,
als Ablage muß die Haube eines Altautos herhalten
und anschließend kommt der neue Lack drauf.
Einige Autos scheinen hier für immer gestrandet zu sein. Kommt jemandem die Form von diesem Hindustan bekannt vor? Es ist der Nachbau eines englischen Vauxhalls, der wiederum auf den Opel Rekord aus den 70ern basiert.
Auch für den Käfer, den ersten, den wir in Indien sehen, wird mehr als nur Spachtelmasse und frische Farbe notwendig sein, damit er wieder läuft und läuft und läuft.
Ahmedabad
Die heutige 5,5 Millionenstadt Ahmedabad wurde 1411 durch den Sultan Ahmed Shah von Gujarat dort gegründet, wo er laut Legende gesehen hatte, wie ein Hase einen Hund jagte.
Die Stadt bietet viele bemerkenswerte Gebäude,
einen schönen Park
und eine quirlige Altstadt,
die aus einem faszinierenden Labyrinth aus Märkten besteht,
auf denen es nicht nur abends von Waren, Menschen und Essenständen wimmelt.
Leider sind die Sehenswürdigkeiten über die gesamte Stadt verteilt und dabei auch so sehr versteckt und integriert,
dass es uns schwer fällt viele davon zu besichtigen. Stattdessen lassen wir uns ganz in die Altstadt versinken, wo wir uns direkt am riesigen Manek Chowk Markt und dem Bhadra-Fort,
welches unmittelbar nach der Gründung erbaut wurde, ein Zimmer nehmen. Früher war dieser Stadtteil von einer 10 km langen Mauer umgeben, doch heute zeugen davon nur noch die 15 eindrucksvollen Tore.
Fünf mal am Tag rufen die unzähligen Muezzin im Kanon zum Gebet und auch die Hinduisten machen durch Trommelklänge auf sich aufmerksam.
Morgens reihen sich die ärmsten der Armen vor den heiligen Stätten und hoffen auf milde Gaben, die es dieses mal vor dem Kali Tempel in Form von Keksen gibt, die ein Inder an die Bedürftigen verteilt.
Auf unseren Spaziergängen kommen wir an einer Großküche vorbei, in der in großen Töpfen das duftende Reisgericht Biriyani zubereitet wird.
An einer der stark befahrenen Hauptstraßen werden wir von einem Mann zu seinem Stand geführt,
der das alte Kunstwerk des Schilderbemalens am Leben erhält. Rechts auf dem Bild hat er sich selber verewigt.
Nur wenige Meter daneben führt eine Gasse entlang, in der Kuhdung zum Befeuern des Herdes getrocknet wird
und sich die älteren Damen eine Pause gönnen.
Die Rani-Sipri-Moschee von 1514 ist mit ihren filigranen Verzierungen ein Juwel und wird auch heute noch als Gotteshaus genutzt.
Kaum überqueren wir den Fluss Sabarmati sind wir von hohen Gebäuden und schattenwerfenden Bäumen umringt.
Doch auch hier wird auf eine gute Rasur geachtet.
Sowieso wird in dem einstigen Textilzentrums, dem „Manchester des Ostens“, augenscheinlich immer noch viel wert auf die Kleidung gelegt. Neben dem riesigen Angebot auf den Märkten reiht sich in den Straßen ein Herrenbekleider an den anderen.
Indien – heute und gestern
21 Jahre sind eine lange Zeit, wenn man es sich an der deutschen Infrastruktur oder der Entwicklung in der Telekommunikation bewusst macht.
So hat sich auch hier in Indien einiges getan, was in meiner Erinnerung früher anders war. Indien ist modern geworden und so hat jung und alt stets sein Handy griffbereit und nutzt es auch während des Essens, Schweißens und allen sonstigen Lebenslagen. Das Land wird überwiegend durch Energiesparlampen erleuchtet. Frauen fahren Roller und auch das Autofahren ist kein Privileg der Männer mehr. Desöfteren sehe ich Schilder mit Hilfsorganisationen, an die sich Frauen heute im Notfall wenden können
und sogar im Fernsehen sahen wir eine Aufklärungskampagne gegen familiäre Gewalt.
Große Shopping Complexe laden zum Verweilen und Bestaunen ein, wenn man der Sonne und dem Straßentreiben mal entfliehen möchte.
Gab es früher hauptsächlich Tuk-Tuks, Mopeds und Busse, so hat die Anzahl der Privatfahrzeuge stark zugenommen. Nur die gute “alte” Enfield wurde dabei durch ausländische Motorräder (z. B. Honda) stark vom Markt verdrängt.
Lasten werden in engen Marktgassen zwar noch auf dem Kopf balanciert, aber im Alltagsbild ist es nicht mehr wie einst präsent. Auch sehe ich kaum noch Lastenträger auf den Bahnhöfen, mit denen man sich damals um das Tragen des eigenen Rucksacks stritt.
Die gemalte Werbung und auch die Kinoplakate sind modernen Schildern gewichen.
Nur auf den Mauern scheint der Beruf weiter ausgeübt zu werden. Stand dort oft der Hinweis “Do not urinate” wird dieser scheinbar nur noch in den Großstädten benötigt.
Generell wird auch weniger gespuckt und Betelnuß gekaut. Auch das Rauchen von Zigaretten und Bidis in der Öffentlichkeit hat stark abgenommen.
Rar machen sich die mobilen Schuhputzer, aber vielleicht ändert sich das ja noch in den Gegenden, in denen man eher festes Schuhwerk anstelle von Flip-Flops trägt. Auch das Lesen aus der Hand ist nicht mehr ganz so in Mode. Dafür hat Pampers Indien erobert und lässt kaum einen Babypopo unverhüllt.
Wahrscheinlich sollte ich den Teufel nicht herauf beschwören, aber vorenthalten möchte ich es dem interessierten Leser auch nicht: Bislang wurden wir noch kein einziges mal um Bakshish zur Kasse gebeten. Selbst das Betteln erleben wir nicht mehr täglich.
Ich meine, dass es nicht mehr die zahlreichen “Tea Houses” gibt, in denen die Männer teeschlürfend, zeitungslesend oder auch spielend die heißen Stunden des Tages an sich vorüberziehen ließen. Vielleicht ist durch das Computerzeitalter alles etwas schnelllebiger geworden und für Müßiggang keine Zeit mehr vorhanden. Es töpfert schließlich leider auch wirklich gar keiner mehr die kleinen Teeschalen, die von den fliegenden Händlern in den Zügen als umweltfreundliches Einweggeschirr benutzt wurden.
Geblieben ist dafür das bezaubernde Lächeln der Frauen und Kinder,
die bunten Sarees sowie Kurtas und Sarongs. Die Menschen sind zuvorkommend, freundlich und interessiert.
Wenn es heute auch um einiges einfacher ist ein Ticket für einen Nachtzug zu erstehen, so frage ich mich, ob ich nicht eventuell schon mal mit genau dem Sleeper gereist bin.
Was sich leider nur schleppend verbessert hat ist die Müllentsorgung, doch dafür muss sich unter anderem auch das Bewusstsein der einzelnen ändern und das braucht seine Zeit.
Was bleibt mir abschließend noch zu sagen? Das Essen ist nach wie vor das leckerste auf der Welt.
(Ein)Blick in die Küche
… des Pure-Vegetarian Restaurant “New Indra Bhavan”, welches von einem Hindi geführt wird.
In einem Pure Vegetarian Restaurant werden keine Gelantine und auch keine Eier verwendet. Geklärte Butter (Ghee), Milch und Joghurt sind dagegen erlaubt.
Hier werden die Chapatis, Rotis und Naans auf einem mit Holzfeuer geheizten Stein zubereitet.
Pavagadh & Champaner
50 Kilometer entfernt von Vadodara befindet sich der kleine Ort Champaner mit dem heiligen Berg Pavagadh. Auf dem 760 Meter hohen Vulkanhügel befindet sich eine Pilgerstätte in einem Tempel.
Die erste Hälfte des Berges können wir noch mit dem Bus fahren. Von dort aus gibt es eine Seilbahn, die aber gerade wegen Wartungsarbeiten geschlossen ist. Also heißt es die 1600 Stufen bis zum Gipfel zu Fuß zu erklimmen.
Der Pfad ist gesäumt von Tempeln,
heiligen Kühen,
und Ständen die Snacks, Wasser, Andenken und Obst zum heilig sprechen verkaufen.
Alle Waren und Dinge des alltäglichen Lebens müssen mit Eseln den Berg hochtransportiert werden. So kommt es, dass wir uns auf einmal den Weg mit einer kleinen Eselkarawane teilen.
Ab dem Kratersee
wird das letzte Stück des Weges schmaler und bietet nur noch Platz für die Pilger.
Der Ausblick wird leider durch das diesige Wetter getrübt;
oben angekommen drehen wir eine Runde um den Tempel
und nehmen den Abstieg in Angriff. Bis auf Photostops (wir zählen schon nicht mehr mit, wie oft wir zusammen mit Indern für Facebook Bilder abgelichtet werden) bewältigen wir auch dieses Mal den Weg ohne Pause, wenn man von der Segnung Miriams durch eine Pilgergruppe absieht.
Da der Bus zwischen der Seilbahnstation und dem Ort nur unregelmäßig fährt und wir nicht über eine Stunde lang warten wollen gehen auch wir zu Fuß weiter.
Das erste Stück begleiten wir wieder eine Eselherde,
anschließend kürzen wir durch ein trockenes Flußbett ab.
Doch kurz vor dem Ortseingang haben uns die Esel wieder eingeholt.
Champaner war um 1300 die Hauptstadt der Rajputen von Chauhan, die 1484 von Sultan Mahmud Begada von Gujarat nach einer 20-monatigen Belagerung eingenommen wurde. Der Ruhm als glänzende neue Hauptstadt war jedoch nur von kurzer Dauer. Als der Mogulherrscher Humayun 1535 die Stadt eroberte, wurde die Hauptstadt wieder nach Ahmedabad verlegt und der Ort verfiel. Heute zeugen noch die Stadtmauern und einige erhalten gebliebene Moscheen von der einstigen Pracht, zwischen dessen Weltkulturerbestätten noch etwa 500 Einwohner leben.
Am beeindruckensten von ihnen sind die Saher ki Masjid,
Die Moscheen sind mit Steinreliefs geschmückt, verfügen über mehrere Kuppeln und auch die Minarette sind noch erhalten.
Einige Moscheen stehen außerhalb der inneren Stadtmauer und wir wandern durch Wiesen und Felder mit kleinen Bauernhütten. Eine willkommene Abwechslung zum Lärm und Verkehr der Stadt.
Zurück an der Bushaltestelle ist Fortuna uns gnädig und schickt bald einen Bus für die Rückfahrt vorbei.
Laxmi-Vila-Palast
In Vadodara steht der Laxmi-Vila-Palast. Zwischen 1878 und 1890 im indo-sarazenischen Stil erbaut
verfügte er seinerzeit bereits über elektrisches Licht und einem internen Telefon. Der Marmor wurde aus Italien nach Indien gebracht
und der Sandstein aus dem 600 Kilometer entfernten Pune.
Der Palast, der von einem großen Park mit Golfplatz umgeben ist, ist noch immer die Residenz der Königsfamilie von Vadodara und somit auch der größte noch privat bewohnte in Indien. Daher ist nur die Hälfte der Räume im Erdgeschoss zu besichtigen, aber alleine dafür brauchen wir schon fast eine Stunde, geführt mit einer Audio-Tour auf einem MP3 Player.
Die Verlegung des wunderschönen Mosaikbodens im Ballsaal dauerte alleine 18 Monate. Jahre später erlernte der junge Maharadscha in den weitläufigen Gängen das Fahrradfahren.
Tagsüber gibt einem die gehisste Flagge am Eingangstor Auskunft, ob der Maharadscha zugegen ist,
Nachts leuchtet ein orangenes Licht im Turm. Dieser sollte ursprünglich als Uhrturm fungieren, doch wurde der Plan schnell verworfen, da das monotone Ticken die königliche Familie gestört hätte.
Der rechte Gebäudeflügel war ausschließlich den Damen vorbehalten mit Ausnahme des Maharadscha, der in den Harem durfte.
Im Außenbereich finden gerade Dreharbeiten statt, die die Front mit dem Eingangsbereich als historische Kulisse nutzen.
Dabei stürzt eine Dame mit ihrem Fahrrad, als drei Autos an ihr vorbei fahren.
Im letzten Wagen sitzt der Hauptdarsteller, der nach dem Sturz helfend herbei eilt. Nachdem die Dame ein halbes Dutzend Mal aus dem Sattel gesprungen ist wird das ganze langweilig und wir schauen uns den Rest des Palastes an, in dem das Photographieren eigentlich untersagt ist.
Kulinarische Grenzen
Die kulinarische Grenze South India zu North India ist überschritten. Nicht nur die frittierten Snacks,
Pajoorie
Pakora
von denen viele im Weißbrotbrötchen serviert werden, auch die Thalis schmecken hier im Nordwesten ganz anders. Die leichten, hauptsächlich auf Reis, Gemüse und Kokosnuss basierenden Gerichte des Südens werden nun durch schärfere, ölige abgelöst, bei denen Gemüse und Reis einen verschwindend geringen Anteil auf dem Metalltablett einnehmen.
Punjabi Thali
Gujarati Thali
Stattdessen gibt es Teigfladen, die Chapatis, und Saucen mit Kichererbsen, Kartoffeln oder Spinat.
Da hier weniger Reis angebaut wird, kommen zum Frühstück auch selten Idlis und Dhosas, die auf Reismehl basieren, auf den Tisch. Anstelle dessen essen wir nun Chole Bhature
oder Poori Bhaji
und zwischendurch herzhafte Kugeln mit Sesam, Ingwer, Koriander und Nüssen.
Auch preislich merken wir den Unterschied, bezahlen wir nun schon oft den doppelten Preis.