In Amritsar befindet sich das spirituelle Zentrum der rund 23 Millionen Sikhs (auf deutsch “Schüler”).
Die Sikhs verehren einen gestaltlosen Schöpfergott und lehnen übertriebene Riten und Aberglauben ab. Es gibt keine sozialen Hierarchien weshalb auch das indische Kastensystem nicht akzeptiert wird.
Wichtig für die Sikh-Religion ist die Überwindung des Egoismus und das Hängen an weltlichen Dingen, um den inneren und sozialen Frieden zu finden. In dem man dem Weg des Gurus folgt findet man zur Erleuchtung und kann dem Kreislauf der Wiedergeburt entkommen, die Seele wird eins mit Gott.
Der goldene Tempel wurde 1577 vom vierten Sikh-Guru Ram Das gegründet und beheimatet den heiligsten Schrein. Hier befindet sich auch das Guru Granth Sahib, das heilige Buch mit Liedern, Hymnen und Gedichten, aus dem Priester und Musiker fortwährend Gebetsgesänge (Shabad Kirtan) rezitieren.
Das Buch wird morgens gegen halb fünf in den Tempel herein- und abends um halb elf wieder herausgetragen.
Obwohl ein Ort der Religion war Amritsar auch immer wieder Schauplatz von Gewalt und Unruhe. 1919 wurden bei Demonstrationen gegen die britische Kolonialmacht 400 Inder getötet. Das Ereignis rüttelte den indischen Nationalstolz wach und Mahatma Gandhi begann daraufhin mit seinem Programm des zivilen Ungehorsams.
Vielen sind vielleicht noch die Ereignisse Anfang der 1980er Jahre in Erinnerung, die mit der Ermordung der Präsidentin Indira Gandhi endeten. 1984 verschanzten sich Sikhs, die einen eigenen Staat forderten, im goldenen Tempel. Bei den Sikhs sind seit jeher Religion und Nation streng miteinander verbunden. Daher kam es immer wieder zu Spannungen und Integrationsproblemen zwischen ihnen und den säkularen Indien, das Religion und Politik trennt.
Indira Gandhi ließ daraufhin den goldenen Tempel von der indischen Armee stürmen. Dabei kamen 500 Sikhs ums Leben und Teile der äußeren Tempelanlagen wurden zerstört. Einige Tage nach den Kämpfen wurde die Präsidentin von einem ihrer Leibwächter, einem Sikh, erschossen. Bei den anschließenden Unruhen und Gewalttaten gegen die Sikhs, kamen etwa 4000 von ihnen ums Leben. Die zerstörten Tempeltrakte wurden von der indischen Regierung wieder instand gesetzt, doch die Sikhs wollten die entweiten Bauten nicht mehr nutzen und errichteten neue.
Der Name Amritsar setzt sich aus den Worten Amrita Saras zusammen und bedeutet Nektarsee. In diesem Nektarsee, der unterirdisch von dem Fluß Beas gespeist wird, steht der goldene Tempel. Der untere Teil des Gurdwaras (Tor zum Guru) besteht aus weißem Marmor und der obere ist mit gravierten Goldplatten verkleidet, die Kuppel darüber mit 750 Kilogramm Gold überzogen.
Egal welchem Glauben man folgt, im goldenen Tempel ist jeder willkommen.
Dies wird auch dadurch angedeuetet, dass alle Sikhtempel vier Eingänge in alle Himmelsrichtungen haben.
Sowohl Frauen, Männer als auch Kinder müssen eine Kopfbedeckung tragen und vor dem Betreten die Füße reinigen.
Für Frauen, die ein Bad in dem heiligen Wasser nehmen wollen, gibt es extra Bereiche mit Sichtschutz. Dies stellt keine Abgrenzung der Frauen dar, sondern dient der Etikette, denn bei den Sikhs sind Frauen und Männer gleichberechtigt.
Die Männer nehmen ihr Bad an den Stufen des Beckenrandes. Der Dolch, den die Sikhs zum Zeichen des Schutzes und der Verteidigung der Schwächeren tragen, wird beim Bad in den Turban gesteckt.
Der kunstvoll gebundenene Turban (Dastar) drückt entsprechend dem Selbstverständnis der Sikhs Weltzugewandtheit, Nobilität und Respekt vor der Schöpfung aus.
Jungen erhalten ihn im Alter von 12 bis 16 Jahren zum ersten mal feierlich im Tempel überreicht.
Zu jeder Tages- und Nachtzeit umgibt den Ort eine unglaubliche Magie und Ausstrahlung.
Der Gesang der Rezitation des Guru Granth Sahib ist überall zu hören, hinter Glasscheiben sitzen Männer und lesen in der heiligen Schrift
und viele der Pilger nehmen ein Bad in dem heiligen Wasser, in dem sich auch viele Goldfische wohl fühlen.
Der goldene Tempel zählt jeden Tag bis zu 100000 Besucher, denen in der Freiküche kostenlose Mahlzeiten angeboten werden. In der Essenshalle gibt es jeden Tag drei Mahlzeiten, sowie Tchai und Zwieback in den frühen Morgenstunden für 60000 bis 80000 Menschen.
Helfer sind willkommen, um bei der Zubereitung, der Ausgabe oder der Bewältigung der Abwaschberge zu helfen.
Neben der Verköstigung ist auch die Übernachtung im dazugehörigen Ashram umsonst.
Doch ohne eine angemessene Spende sollte man die Gastfreundschaft nicht in Anspruch nehmen. Viele Spender aus aller Welt sind in den Marmorverkleidungen der Gebäude verewigt.