Auch wenn man die Leute aus gutem Grund beschimpft, muss man maßhalten. Maxim Gorkij

Den ersten Versuch die russischen Transitvisa zu bekommen unternehmen wir schon in Hong Kong. Die Anträge stellt man nicht mehr bei der Botschaft selber, sondern alles läuft nur noch über eine Visaagentur. Dazu muss das Antragsformular online ausgefüllt mitgebracht werden. Ausfüllen geht ja noch problemlos, beim Ausdrucken wird es mit dem Smartphone schon schwieriger. Aber da wir die Tickets für die Zugfahrt nach Moskau vorlegen müssen, die wir erst in Beijing kaufen können, ziehen wir unverrichteter Dinge wieder ab.

An unserem ersten Tag in Beijing statten wir der Visaagentur unseren ersten Besuch ab. Doch zuvor laufen wir zur russischen Botschaft, um dort zu erfahren, dass Visa hier seit zwei Monaten nicht mehr ausgestellt werden. Der Wachmann hält uns einen Infozettel unter die Nase, auf dem die Adresse der Agentur steht, kann uns aber nicht sagen, wie wir dorthin kommen. Zum Glück ist gerade ein Chinese dort, der das gleiche Ziel hat und uns im Auto mit nimmt. Wie sich herausstellt ist die Agentur an der gleichen Metrohaltestelle, wo wir ausgestiegen sind, um zur russischen Botschaft zu gelangen. Eine kleine Lageskizze auf dem Infoblatt wäre wohl zu viel verlangt.

Nachdem wir dem Mitarbeiter erklärt haben warum Sven Schumacher und nicht Kolodinski heißt und dass wir mit dem Zug nach Moskau fahren wollen, sagt er uns dasselbe wie die Dame in Hong Kong, dass wir ohne die Zugtickets nicht weiter kommen. Zusätzlich benötigen wir die Fahrkarten für den Zug von Moskau nach Berlin. Irgendwann scheint er zu verstehen, dass die von Beijing aus nicht so einfach zu beschaffen sind und ein Ausdruck mit den Zugverbindungen nach Berlin ausreicht.

Außerdem ist unser Nachweis für die Krankenversicherung nicht detailliert genug, denn es muss aufgeführt explizit werden, dass der Versicherungsschutz auch in Russland gültig ist, weltweit ist nicht ausreichend. Ferner muss eine Versicherungssumme über 30.000 Euro bescheinigt sein.

So verbringen wir den Abend damit, neue Versicherungsnachweise zu besorgen. Dazu müsst ihr wissen, das unser googlemail Postfach nur hin und wieder mal funktioniert und das web.de Konto komplett von der chinesischen Zensur gekappt wurde. Dank der schnellen Antwort unserer Vermögensberaterin haben wir noch am gleichen Tag einen neuen Nachweis, den wir mit Hilfe der netten Hotelrezeptionistin und ihrem privaten Emailkonto ausdrucken können.

Mit Fahrkarten, die wir gleich am nächsten Morgen kaufen, den neuen Unterlagen und frohen Mutes geht es am zweiten Tag gleich wieder zur Agentur. Wie wir uns schon dachten wird der neue Versicherungsnachweise nur nach Diskussion und Rücksprache akzeptiert, weil er in Deutsch verfasst ist. Aber da die 30.000 Euro und das Wort “Russland” auch so zu erkennen sind wird der Dokument schließlich doch akzeptiert. Was jetzt fehlt sind die Visa für die Mongolei, denn die russische Botschaft braucht das Visum des Landes, von dem man einreist. Fragt nicht nach dem Sinn, denn wer nicht in die Mongolei kommt, sollte theoretisch auch nicht zur mongolisch-russischen Grenze kommen können.

So machen wir uns also auf den Weg zur mongolischen Botschaft, die zum Glück nur ein paar Metrostationen und einen halben Kilometer Fußmarsch entfernt ist. Dort erfahren wir, was unserem Allgemeinwissen bis jetzt verborgen blieb, dass deutsche Staatsbürger seit zwei Jahren visumfrei in die Mongolei einreisen können. Einen schriftlichen Nachweis gibt es dafür nicht, aber eine Internetadresse, wo alles nachgelesen werden kann.

Mit den neuen Erkenntnissen sitzen wir nach der Mittagspause wieder bei der Visaagentur. Da wir unseren chinesischen Sachbearbeiter mittlerweile kennen hatten wir seine Frage nach einem Schriftstück der mongolischen Botschaft schon vorab geahnt. Nachdem wir ihn durch die Webseite der Mongolen navigiert haben (gestern konnte er mit seinem Computer nicht ins Internet) kann er sich selbst von der visafreien Einreise überzeugen.

Die nächste Diskussion führen wir über das Einreisedatum nach Russland. Das Transitvisum ist nur für zehn Tage gültig und muss genau auf die Reisedaten abgestimmt sein. Leider will der gute Mann nicht verstehen, dass wir erst nach 1 1/2 Tagen Zugfahrt an der russischen Grenze sind und den Abreisetag in Beijing nicht als Einreisetag nach Russland eintragen können. Nachdem schon alle Beteiligten leicht genervt sind, der Wachmann hat vorsichtshalber auch schon Stellung hinter unseren Stühlen bezogen, sind alle Reisedaten verstanden. Allerdings müssen die Anträge ein weiteres (drittes) Mal geändert werden, weil die gesamte Reiseroute bis Berlin eingetragen werden muss. Von der Idee alle Zwischenhalte der fünftägigen Zugfahrt auch noch aufzuführen können wir ihn zum Glück noch abbringen.

Wer an dieser Stelle aufatmet hat sich allerdings zu früh gefreut. Die Zugverbindungen nach Berlin, die am Tag zuvor noch ausreichend waren, sind es diesmal nicht mehr. Wir benötigen ein Ticket oder eine Buchungsbestätigung, was wir in Hong Kong übrigens nicht gebraucht hätten. Dass China größtenteils eine Insel im world-wide-web Ozean ist, ist ihm, wie den meisten Chinesen wahrscheinlich auch, nicht bewusst. So packen wir also, nachdem unser einstündiger Sitzstreik vor seinem Schalter vergebens ist, unsere sieben Sachen wieder zusammen und fahren zurück ins Hotel.

So ist wieder eine Abendschicht angesagt, um die Anträge zu ändern, eine Buchungsbestätigung von Moskau nach Berlin zu besorgen und das ganze wieder zu drucken. Die Zugverbindungen sind zwar schnell gefunden aber alle widersprüchlich. Buchungen sind nur über private Agenturen möglich und die Preise ähnlich verwirrend wie die Abfahrtszeiten. Eins haben aber alle Webseiten gemein: Nur eine Buchung ist nicht möglich, es wird gleich zur Zahlung geschritten. So machen wir lediglich eine Bildschirmkopie mit unseren eingetragenen Daten, Preis und Zugnummer und brechen den Vorgang dann ab. Emails können wir mal wieder nicht versenden, so müssen wir die Unterlagen mit whatsapp zu Vanessa nach Deutschland schicken und Vanessa schickt sie wieder nach China an die Hotelrezeptionistin zum Ausdrucken.

Am Morgen des dritten Tages ist eine der Damen von der Rezeption extra für uns zum Copyshop geflitzt, weil abends des Ausdrucken im Hotel nicht mehr geklappt hat. So geht es zum vierten Mal an drei Tagen zur Visaagentur. Im Kopf die Frage, was unserem Visa-Erbsenzähler wohl diesmal einfallen würde. Doch siehe da, es geschehen noch Zeichen und Wunder, alle Unterlagen sind ausreichend und werden angenommen. Getreu dem Motto “Eine Unterlage ist besser als keine und was drauf steht ist Wurscht”.

Bleibt zu guter Letzt noch die Frage der Bearbeitungsdauer. Theoretisch leicht zu klären, praktisch kann man schon mal dran verzweifeln. Wenn wir unsere Pässe nach drei Tagen abholen wollen wäre das am Freitag, bei einer Bearbeitungsdauer von fünf Tagen können wir die Pässen am Donnerstag in der kommenden Woche abholen ??? Irgendwann haben wir es aufgegeben und den Freitag gewählt, da unser Zug am Mittwoch fährt.

Damit haben sich die russischen Visa nicht nur den den Titel der am härtesten erkämpften gesichert, sondern nebenbei auch auf der Geldrangliste den ersten Platz eingenommen. Pro Visum müssen wir umgerechnet fast 140 Euro zahlen. 56 Euro davon gehen an die Visaagentur, wohl mehr für das Entertainment, als für die Hilfestellung.

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