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Mumbai
Mit dem Zug geht es die letzten 200 Kilometer bis zur Küste von Pune nach Mumbai. Die Größe der Stadt wird uns schon bei der Zugfahrt bewusst. Die letzte Stunde unserer Fahrt führt nur noch an Gebäuden und Hochhäusern vorbei, kein Wunder bei 12,5 Millionen Einwohnern. Daher wird jeder zur Verfügung stehende Quadratmeter genutzt und selbst zwischen den Bahngleisen Gemüse angebaut. Doch bis zum Endbahnhof wollen nur die wenigsten Inder und bald haben wir den anfangs wie immer überfüllten Zug fast für uns alleine. Ein einfaches aber günstiges Zimmer für Großstadtverhältnisse finden wir bei der Heilsarmee.
Indien ist ein Land der Gegensätze und Mumbai die Stadt, die das zu leben scheint. Hier steht das teuerste Gebäude Asiens und der größte Slum Indiens.
Luxuslimousinen warten an der Ampel während nebenan in den Häusern das Ungeziefer ausgeräuchert wird.
Ebenso die Architektur, Gegenwart und Vergangenheit wechseln sich ab. Im Hintergrund der viktorianischen Gebäude winden sich die neuen Wolkenkratzer in die Höhe, eine Baustelle neben der nächsten.
Das Mahalaxmi Dhobi Ghat ist die größte Handwaschmaschine der Welt. Nirgendwo sonst in der Welt wird an einem Platz mehr Handwäsche erledigt wie hier. Dafür gab es 2011 einen Eintrag in das Guinness Buch der Rekorde.
In Colaba, dem Viertel in dem wir wohnen und den umliegenden Stadtteilen fühlen wir uns wie in das alte London versetzt. Ein viktorianisches Haus steht neben dem anderen und dazwischen fahren rote Doppeldeckerbusse durch die Straßen. In der Innenstadt gibt es keine dreirädrigen Autorickshaws, sondern die schwarz-gelben Mumbaitaxen bestimmen das Stadtbild.
In etlichen Häusern entdecken wir noch alte Fliesen.
Einige der wichtigsten und größten Denkmäler seht ihr auf unserem “kleinen” Stadtrundgang. Gegenüber von unserem Heilsarmeehotel steht das riesige Taj Mahal Palace Hotel direkt an der Strandpromenade.
Gleich gegenüber befindet sich das Gateway of India, das 1924 zu Ehren Georg V. erbaut wurde und von wo die letzten englischen Truppen Indien verlassen haben.
Vorbei am Chhatrapati Shivaji Maharaj Museum
geht es zur Universität
mit dem 80 Meter hohen Uhrenturm.
In direkter Nachbafschaft steht das Gerichtsgebäude, hier vom Oval Maidan, einem beliebten Cricketfeld mitten in der Stadt, aus photografiert.
Das imposanteste Gebäude und gleichzeitig das erste, was wir von Mumbai gesehen haben, ist der Chhatrapati Shivaji Terminus. Er ist einer der Bahnhöfe Mumbais, gehört zu den geschäftigsten der Welt und ist seit 2004 auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbe. Die Bahnsteige sind bis zu 700 Meter lang und über dem Haupteingang thront eine 100 Meter hohe Kuppel. Der Bahnhof wird täglich von drei Millionen Passagieren benutzt.
Im Westen der Stadt befindet sich auf einer kleinen Insel die Haji Ali Dargah Moschee. Sie ist nur über einen kleinen, bei Ebbe begehbaren Damm mit dem Festland verbunden.
Im Mali Bhavan wohnte und arbeitete Gandhi während seiner Aufenthalte in Mumbai. In dem Haus ist heute ein Museum untergebracht, das unter anderem Gandhis Briefe an Roosevelt und Hitler zeigt. Von hier aus startete Gandhi seine Kampagne des gewaltfreien und zivilen Ungehorsams gegen die britische Kolonialherrschaft.
An den Straßen gibt es Stände mit Schallplatten
und Bergen von Büchern. Wir haben aber nicht herausbekommen können, wie die Verkäufer bei diesen Mengen die Übersicht behalten.
Auch nachts fasziniert uns die Stadt.
Eine ganz normale indische Zugfahrt
Der tägliche Andrang bei den indischen Zügen würde in Deutschland wohl nur eintreten, wenn in allen Bundesländern zur gleichen Zeit Sommer- und Weihnachtsferien beginnen.
Die erste Herausforderung beginnt mit dem Erreichen des Bahnsteiges, wenn gerade die Passagiere von zwei angekommenen Zügen über die Fußgängerbrücke uns entgegen strömen. Da sind Rucksack und Tasche von Nutzen, die vorne und hinten als Stoßstange und Rammschutz dienen.
Fährt dann der Zug ein muß man alle Disziplin und Hemmungen für ein paar Minuten fallen lassen und mit rugbyähnlichen Körpereinsatz den Zug erobern.
Die so stattfindende natürliche Auslese bestimmt, wer einen Sitzplatz bekommt und wer stehen oder in den Gängen sitzen muß.
Wir haben Glück und den Vorteil der längeren Arme beim Einsteigen und bekommen immerhin noch einen Platz auf den oberen Pritschen der Schlafwagen-Klasse.
So wie die ganze Infrastruktur des Landes kämpft auch die indische Eisenbahn mit der wachsenden Bevölkerung und der steigenden Anzahl der Passagiere, die mit dem steigenden Wohlstand zunimmt.
Im Minutentakt kommt einer der fliegenden Händler durch den Wagen und sorgt dafür, dass niemand verhungert oder verdurstet. Es gibt Wasser, Tchai, Kaffee, alle möglichen Snacks, Obst und Süßigkeiten.
Und wenn der Zug an einem Bahnhof hält werden die Fenster von weiteren Verkäufern gestürmt, die Ihre Waren von draußen anbieten. Manche von ihnen sind noch mitten im Verkauf, wenn der Zug schon am Rollen ist.
Dem ganzen Trubel im Zug entkommt man am besten bei einem kleinen Nickerchen.
Auch bei einer Zugfahrt über Nacht wird die Körperpflege nicht vernachläsdigt. Morgens werden als erstes die Zähne geputzt und spätestens vor dem Aussteigen die Haare gemacht.
Volkswagen Werk Pune
30 Kilometer nördlich von Pune liegt das am 31. März 2009 eröffnete VW-Werk. In nur 17 Monaten erbaut (ein Rekord für Indien) ist es mit 580 Millionen Euro die größte Investition einer deutschen Firma im Land.
3600 Mitarbeiter bauen täglich 430 Polos, Ventos und Skoda Rapids für den indischen Markt und 32 andere Länder, wie zum Beispiel Nepal, Saudi Arabien, Mexiko und Südafrika.
Chaitanya Halbe ein sehr netter Mitarbeiter des Besucherdienstes, der perfekt deutsch spricht, führt uns durch die Hallen. Auf 111900 Quadratmetern befinden sich Karosseriebau, Lackiererei und Montage. Das Presswerk ist direkt an dem Karosseriebau angegliedert, wird aber von einem Zulieferer betrieben.
Den Kunden stehen zehn Farben zur Auswahl. Die Farbe, die man in Indien wohl so gut wie nie sehen wird, ist schwarz, denn schwarz bringt in Indien Unglück.
Alles ist nach den VW-Standards aufgebaut und ist auf Anhieb vertraut.
In den Jahren 2012 und 2013 hat Pune den “Think Blue Factory – Award” gewonnen.
Auf dem Photo seht ihr links Herrn Halbe vom Besucherdienst und rechts den Meister der Ausbildungsabteilung.
Jedes Jahr werden 16 Mechatroniker ausgebildet und nach den IHK-Bestimmungen geprüft.
Neben der Produktion und der Ausbildungsabteilung können wir auch einen Blick in den Bürobereich werfen, wo sich die IT, Planung und andere Abteilungen befinden.
Die neueste Investition im Werk ist eine Aggregatefertigung für Dieselmotoren. Heute ist ein besonderer Tag, denn der erste Motor aus indischer Fertigung wird in ein Fahrzeug eingebaut. Zu dem Ereignis kommt der Ministerpräsident des Bundesstaats Maharashtra zu Besuch und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Die Werksfeuerwehr sorgt dafür, dass im Brandfall keine größeren Schäden entstehen. Damit im Ernstfall auch alles schnellstmöglich abläuft gibt es zwei Übungen pro Tag. Die Feuerwehr ist in drei Schichten rund um die Uhr besetzt.
Volkswagen India verfügt sogar über einen eigenen Busfuhrpark, mit dem die Mitarbeiter zur Arbeit pendeln.
Auf diesem Wege nochmals vielen Dank an Herrn Halbe für die tolle Werksbesichtigung und dass wir so kurzfristig und unkompliziert einen Termin bekommen haben.
Pune
Unsere Fahrt nach Pune ist ein wenig anstrengend. Eigentlich wollen wir auf der Strecke einen Zwischenstop einlegen, weil die Bahn auf der eingleisigen Strecke bei Bijapur nicht ganz so schnell vorankommt, doch in Solapur sind alle Hotels in der Nähe des Bahnhofs ausgebucht und wir fahren im Bundesland Maharashtra weiter nach Pune. Der Zug ist proppevoll und manche Fahrgäste müssen die ganze vierstündige Fahrt über stehen. Am Ziel belohnen wir uns nach der Anstrengung mit einer etwas gehobeneren Unterkunft: Rund um die Uhr warmes Wasser, Fernsehen, Frühstück mit aktueller Tageszeitung und Sonnenaufgang auf dem Balkon.
Pune hat über drei Millionen Einwohner und ist ein wichtiger Industriestandort unter anderem für die Automobilhersteller. VW hat hier vor sechs Jahren sein indisches Werk eröffnet und etliche weitere deutsche Unternehmen sind hier ansässig.
Sehenswürdigkeiten, mit denen wir auf unseren letzten drei Stationen verwöhnt worden sind, sind leider eher spärlich gesäht. So sehen wir auch nur wenige Tempel, dafür aber etliche Schreine, wie zum Beispiel diesen hier an einem Baum an einer Kreuzung.
Pune ist bekannt für das Osho-Ahsram, welches sich in einem grünen Villenviertel befindet. Der 1990 verstorbene und unter anderem wegen seiner materiellen Ansichten (vor allem seiner eigenen Materie) umstrittene Philosoph, Guru und Gründer war in den 80ern und 90ern eine schillernde Figur und oft in der Presse. Schon von außen sieht man den Gebäuden die hohen Preise für Eintritt und Übernachtung an, so dass wir es bei der Außenansicht belassen.
Die Straßen um das Ashram herum sind das Szeneviertel Punes, in dem man sogar in einer deutschen Bäckerei ein Stückchen Schwarzwälder Kirsch- oder Sachertorte genießen kann.
Pune war ein Zentrum der indischen Freiheitsbewegung. In dem Aga Khan Palast wurde Gandhi von den britischen Kolonialmächten von 1942 bis 1944 zwei Jahre lang unter Arrest gestellt.
Gandhis Frau und sein langjähriger Vertrauter, die gemeinsam mit ihm inhaftiert wurden, starben während der Gefangenschaft. Ihre Urnen befinden sich in einer Gedenkstätte im Park des Palastes, wo ebenfalls ein Teil der Asche von Gandhis Leichnam aufbewahrt wird. Innerhalb des Palast informiert ein Museum über das Leben und Wirken Gandhis.
Indien erlangte seine Unabhängigkeit am 15. August 1947, was im darauffolgenden Jahr am 26. Januar in Kraft trat.
Während dieses Jahr US Präsident Obama mit seiner Frau den Republic Day in New Delhi feiert schauen wir uns das alte Fort in Pune an.
Hier kommen noch einige Straßenimpressionen von unserem Spaziergang dorthin.